Heiliger, zweiter Christus, frommer Mann, Sohn des Papstes und Widerchrist: Transformationen des legendarischen Erzählens von Franziskus in Mittelalter und Reformationszeit

Abstract
Der Aufsatz untersucht die reformatorisch-konfessionellen Konflikte um den heiligen Franziskus. Ausgehend von Erasmus Alberus’ Der Barfuser Münche Eulenspiegel vnd Alcoran (1542), der auf die Herabsetzung des hei-ligen Franziskus zielt, beschreiben wir rückblickend die Tradition der lateini-schen Franziskuslegenden im Rahmen der Ordensgeschichte und der Auseinan-dersetzungen zwischen den Konventualen und den Observanten. In diesen Konflikt ordnen wir den Hypotext des Alcoran, den Liber conformitatum vitae beati Francisci ad vitam Domini Iesu (1385 – 1390) des Bartholomaeus de Rinonico ein. Seine Deutung des Franziskuslebens als konform mit dem Leben Jesu macht den heiligen Franziskus zum Spitzenheiligen und Quasi-Erlöser. Wir zeigen, wie aus seiner Popularität, die in den frühneuzeitlichen Liber-Drucken und den die Stigmatisation des Franziskus zentral setzenden Heilsmedien ihren Niederschlag findet, die reformatorische Auseinandersetzung mit Franziskus erwächst. Im Anschluss daran liegt der analytische Fokus auf Albers Alcoran und den nachfolgenden wechselseitigen konfessionellen Invektiven, welche die Debatte insofern dynamisierte, als deren altkirchliche Adressaten und Adres-santen selbst Franziskanerbrüder waren. Der Aufsatz schließt mit der parado-xen Aufnahme der Franziskus-memoria in die lutherischen Heiligenkalender.
Schlagwörter
Franziskus, Thomas von Celano, Bonaventura, Bartholomaeus de Rinonico, Liber conformitatum, Martin Luther, Erasmus Alberus, konfessionelle Invektive, Reformation, memoria